Ort: Luttenbergstraße (Hügel vor der Marienkirche)
Baumart: Linden
Zeit: Oktober 2012
Fotos: Jens J. Korff
(Zu Foto 1 u. 5:) Eine Schönheit ist sie nicht. Vielleicht war sie es mal, man weiß es nicht. Mit rund 700 Jahren gilt sie als ältester Baum Herfords - und sieht ziemlich mitgenommen aus. „Der Stamm muss vor langer Zeit auseinander gebrochen sein“, sagt Gartenbau-Ingenieur Uwe Höcker. Doch der Baum kämpfte um sein Leben – diverse Äste bogen sich nach oben und ersetzten den Stamm gleich dreifach. „Ein Baumchirurg hat die Linde vor etwa 35 Jahren als den ältesten Baum der Stadt bezeichnet“, sagt Höcker. „Noch älter als die zwei großen dort“, sagt er mit Blick auf die Riesen, die auf der Kuppe des Hügels stehen. (Fotos 2-5)
„Manche sagen, dass das zwei Gerichtslinden sind“, sagt Höcker. Unter solchen Bäumen wurden Straffällige in grauer Vorzeit verurteilt und nicht selten auch gleich gerichtet. Stadtführer und Historiker Mathias Polster glaubt nicht an den Luttenberg als Gerichtsplatz. „Das Grundstück gehörte bis 1802 dem Stift – da wurden keine städtischen Urteile gefällt“, sagt er. Auch er geht davon aus, dass es in Herford Gerichtslinden gegeben hat, vermutet diesen Platz aber eher am heutigen Lübberlindenweg.
Polster erzählt weiter: „Der Luttenberg ist mystisch belegt. Man hat Überreste gefunden, die meiner Meinung nach germanisch sind. Es könnte gut sein, dass die heutigen Bäume die Nachfolger einer noch älteren Linden-Generation sind.“ Und die könnten tatsächlich als „Thing“-Bäume gedient haben, also als Bäume auf einem germanischen Gerichtsplatz.
Viel bekannter ist in Herford die Legende von der Marienvision, die genau hier im 10. oder 11. Jahrhundert stattgefunden haben soll und später den Anlass für den Bau der Marienkirche und des dortigen Stiftes bot. Die Vision wird auf einem weißen Denkmal zu Füßen der beiden oberen Linden dargestellt: Es zeigt auf der Ostseite den Umriss der Jungfrau Maria, auf der Westseite eine Taube. Nach dem "Stift auf dem Berge", einer Ausgründung des berühmten Stifts Herford, heißt der umliegende Herforder Stadtteil Stiftberg.
Weitaus weniger spekulativ ist das, was Uwe Höcker zu den Bäumen erzählt. Der 67-Jährige kennt alle drei Linden seit den 1970er Jahren in- und auswendig.
Er war beim Garten- und Friedhofsamt beschäftigt, hat Faulstellen entfernt, Verseilungen zwischen den starken Ästen angebracht, Pilze behandelt und offene Stellen im Stamm mit einem Holzgitter geschlossen: „Damit Kinder nicht reinklettern und Blödsinn machen“. Erfreut stellt er fest, dass die Wundstellen sich weiter geschlossen haben. „Lässt man dem Baum die Zeit, ist er irgendwann wieder ganz okay“, sagt er.
Würde man heute einen ähnlichen Aufwand betreiben? „Die Rechtssprechung hat sich geändert – häufig zu Ungunsten des Baumes“, sagt Höcker. Stehe ein „gefährliches“ Exemplar in Straßennähe, komme das häufig schon einem Todesurteil gleich. Gut, dass es auf dem Luttenberg keine Straße gibt.
Nach Meiko Haselhorst: In Herford verwurzelt, Teil 1, NW 12.7.2012 (ergänzt von Jens J. Korff)
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