Baumart: Europäische Eibe (Taxus baccata)
Zeit: November 2012
Fotos: Meiko Haselhorst (NW)
Dunkler Baum des Todes
IN HERFORD VERWURZELT (22): An der Eibe ist fast alles giftig - bis auf die Frucht
VON MEIKO
HASELHORST
Herford. Das Gerücht hält sich: Die Früchte der Eibe sind giftig.
Uwe Höcker weiß es besser: "Gerade die sind nicht giftig", sagt er,
steckt eine der roten Beeren in den Mund und kaut darauf herum. "Schmeckt
süß." Den Samen spuckt er lieber aus. "Das ist nämlich sehr wohl
giftig", sagt er. Wie bei so vielen Gerüchten ist also ein Körnchen
Wahrheit im Spiel. "Nicht nur ein Körnchen", sagt Höcker.
"Nadeln, Rinde und alle anderen Pflanzenteile sind ebenfalls stark
giftig." 50 bis 100 Gramm Blattmasse, so der ehemalige Mitarbeiter des
Garten- und Friedhofsamtes, seien bereits tödlich. Ausprobiert hat ers noch
nicht, aber er weiß: "Für Pferde ist die Pflanze wirklich eine Gefahr. Zu
Zeiten der Fuhrwerke wurden die Eiben von den Tierbesitzern und Kutschern darum
stark bekämpft."
Nein, die sind nicht giftig: die Früchte der Eibe. Wohl aber die Nadeln! |
Schon in der Antike galt die Eibe - auch Taxus genannt -
als Baum des Todes und zugleich der Ewigkeit. "Sie thront an der Schwelle
zur Unterwelt", - der antike Dichter Ovid hat das bereits so beschrieben.
Diese Vorstellung hängt nicht nur mit ihrer Giftigkeit zusammen. "Das
Motiv der Dunkelheit lässt sich im Schatten einer großen Eibe gut
nachempfinden", sagt Höcker und blickt in die düstere Krone der
mehrstämmigen Eibe am Daniel-Pöppelmann-Haus, eines der ältesten und
mächtigsten Taxus-Exemplare in Herford. Unter einer großen Eibe, so Höcker
weiter, sei meist kein einziger grüner Halm zu finden - ein weiterer Bezug zum
Tod. Tatsächlich: Unter dem Baum am Daniel-Pöppelmann-Haus befindet sich nichts
als blanke Erde. Das, so Höcker, hänge allerdings weniger mit dem Gift als
vielmehr mit den weit verzweigten und feinen Wurzeln zusammen, die bis knapp
unter die Erdoberfläche reichen.
Schon früh entdeckten die Menschen auch die
Vorzüge, die aus der Giftigkeit des Taxus erwuchsen: So behandelten Germanen,
Kelten und andere Völker ihre Pfeile zur Jagd mit Eibensud. Eiben-Essenz half
Frauen bei der Geburt. Aber wehe, die Dosis war zu hoch...
Das zäh-elastische
Holz wurde zur Herstellung von Armbrüsten und Bögen verwandt und hatte große
spirituelle Bedeutung. "Der Zauberstab der Druiden war ebenfalls aus
Eibenholz", sagt Höcker. Mit dem Vordringen der Römer wichen
Eibenbestände, -heiligtümer und keltische Riten gleichermaßen. Das Holz ist
beim Möbelbau und im Kunsthandwerk bis heute beliebt - auch wenn die Eibe
wirtschaftlich keine große Rolle spielt. Gärtner mögen den Taxus wegen der
verschiedenen Wuchsformen von flach bis säulenförmig, von hängend bis
"kompaktbuschig". In der Stadt stehen einige Pflanzen und Hecken, an
denen die städtischen Gärtner offenkundig ihr Talent als Künstler
ausprobierten.; Auch das Gift macht man sich noch heute zunutze. "Äste und
Zweige werden mitunter gesammelt und von der Pharma-Industrie für die
Krebsbekämpfung verwendet", weiß Höcker. Ferner sollen Eiben-Präparate
abführend, herzstärkend, menstruationsfördernd und wurmtreibend sein. So
gänzlich unsympathisch ist dieser dunkle Baum des Todes also nicht. |
Neue Westfälische 30. November 2012
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