Donnerstag, 20. Dezember 2012

Kopfweiden im Füllenbruch


Ort: Füllenbruch, am Lippinghauser Bach
Baumart: Silberweiden (Weißweiden), als Kopfweiden beschnitten
Zeit: Februar 2012
Fotos: Jens J. Korff
Die Pflege dieser Kopfweiden wie des gesamten Füllenbruchs übernimmt die Biologische Station Ravensberg.

Wenn Totes vor Leben strotzt

IN HERFORD VERWURZELT (13): Die Weißweide erfüllt als „Kopfweide“ eine wichtige ökologische Funktion

VON MEIKO HASELHORST (NW 28. 9. 2012)

Uwe Höcker steckt seine Nase in das tote Holz. "Riecht nach Champignon", findet der Baumexperte. Wie verlässlich Höckers Riechorgan funktioniert, sei dahingestellt. Fakt ist, dass sich von Made, über Fledermaus, bis Waldkauz auch jede Menge Tiere über den Pilz freuen - weil er das Holz der Kopfweide so schön mürbe macht.; "Die Kopfweide ist gar keine eigene Art", sagt Baumexperte Höcker. Die, so erklärt er, heiße Weiß- oder Silberweide. "Und die wird zur Kopfweide, sobald man sie regelmäßig zurückschneidet", erklärt der Rentner. "Wenn man mit dem Schneiden einmal anfängt, darf man allerdings nicht mehr damit aufhören - sonst bricht der Stamm auseinander." Was der Grund für die mitunter sehr bizarren Formen ist.

Wird die Weißweide von Beginn an in Ruhe gelassen, wird aus ihr ein stattlicher Baum. Auf einer Wiese in Eickum sind beide Stilrichtungen zu begutachten. "Das da hinten sind unbeschnittene Weißweiden", erklärt Höcker und zeigt auf ein paar Bäume, die gut 15 Meter in die Höhe ragen.; Davor wird ein kleines Stück Wiese von einer Reihe Kopfweiden gesäumt. Die Bäume sind nicht höher als vier bis fünf Meter, der Stamm endet einen guten Meter überm Boden, aus den teils bizarr geformten "Köpfen" treiben zahlreiche lange und gerade Ruten.

Höcker sucht sich einen Baum heraus und prukelt mit dem Finger im weichen Kopfholz herum - Pilze und Maden kommen zum Vorschein. "Hier hat auch schon ein Specht herumgepickt", sagt Höcker und zeigt auf ein paar Löcher. An einem anderen Baum sind dort, wo einst die Äste abgeschnitten wurden, tiefe Löcher entstanden - perfekte Kinderstuben für Waldkäuze, Fledermäuse und verschiedene Kleinsäuger. Auch Singvögel bauen in dem Dickicht aus biegsamen Zweigen und Laub gern ihre Nester, wie ein Blick in den Nachbarbaum beweist. "Wie man sieht: die Kopfweide ist ökologisch extrem wichtig", sagt Höcker .
Der ursprüngliche Grund fürs Zurückschneiden von Weißweiden war freilich ein ganz anderer: Die Bäume wurden schon sehr früh zur Befestigung von Bachläufen und zur Markierung von Grundstücken genutzt. Noch wichtiger: An der Schnittfläche bildeten die beschnittenen Bäume schnell und in großer Zahl neue Triebe aus. Diese ließen sich gut erreichen und wirtschaftlich nutzen. Das wussten sogar schon die alten Ägypter. Die gewonnenen elastischen Ruten wurden für die Korbflechterei oder - in Verbindung mit Lehm - als Baumaterial für Häuserwände genutzt. Eine Praxis, die bis ins vergangene Jahrhundert auch bei uns noch verbreitet war.

Ältere und dickere Äste wurden für die Herstellung von Besen- und Werkzeugstielen verwendet. "Ruten zum Flechten wurden in kurzen Abständen geschnitten, für die Nutzung als Pfosten wurde etwas länger gewartet", erklärt Höcker das Prinzip. "Und mit dem Laub konnte das Vieh gefüttert werden."; Heute gibt es kaum noch eine wirtschaftliche Nutzung der Weiden, da sich industrielle Ersatzprodukte durchgesetzt haben - dementsprechend werden Kopfweiden heute auch nur noch selten gepflegt oder gepflanzt. "Da muss man Organisationen wie dem NABU oder dem BUND ein großes Lob aussprechen - ohne die gäbe es heute kaum noch Kopfweiden." Und vermutlich auch viel weniger Käuze und Fledermäuse. |

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